Neue Belege zeigen, dass wir auf dem besten Wege sind, dem normalen Hörvermögen wieder einen Schritt näher zu kommen. Die gesammelten Ergebnisse zweier kürzlich durchgeführter Studien, an denen Erwachsene mit normalem und mit geschädigtem Hörvermögen teilnahmen, zeigen, dass auch Menschen mit einer Hörminderung in einem geräuschvollen Umfeld eine ebenso aktive Unterhaltung führen können, wie es bei ihren normal hörenden Mitmenschen der Fall ist.
Ein Blick auf die Höranstrengung
Für Menschen mit einer Hörminderung ist es sehr mühsam, in einer geräuschvollen Umgebung gesprochene Worte zu verstehen – und je lauter es wird, desto größer wird die Anstrengung.
Selbst für Menschen mit einem normalen Hörvermögen wird ein Gespräch anstrengender, wenn der Lärmpegel steigt. In diesen Situationen muss das Gehirn schwer arbeiten, um den Klängen einen Sinn zuzuordnen.
Ein Hörgerät mit einer fortschrittlichen Signalverarbeitung unterstützt das Gehirn bei seiner Versteharbeit und kann die mentale Anstrengung erheblich erleichtern, die erforderlich ist, um in einer lauten Umgebung Gesprächen zu folgen. So bleiben die mentalen Ressourcen erhalten und können für die Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten genutzt werden.
Mit der Pupillometrie, einer praktischen und objektiven Messung der Pupillenreaktion, können wir Daten gewinnen, die Aufschluss über den Grad der Höranstrengung und jenen Moment geben, in dem der Proband aufhört, die gesprochene Sprache verstehen zu wollen.
Wenn wir uns auf ein Geräusch konzentrieren und den sonstigen Lärm ausblenden, verändert sich durch die Muskelaktivität in der Iris auch die Größe der Pupille. Ganz allgemein kann man sagen: Je mehr wir uns auf das Hören konzentrieren, desto größer werden unsere Pupillen. Wenn man also einen Zuhörer in einer Umgebung testet, deren Hörbedingungen anfangs sehr einfach sind und sich hin zu sehr schwierigen Umständen steigern, wird sich die Pupille immer mehr erweitern, bis ein bestimmter Punkt erreicht ist. Von diesem Punkt an wird sie wieder kleiner.
Wenn sich die Mühe nicht mehr lohnt
Die Höranstrengung hängt üblicherweise von der Interaktion zweier Faktoren ab: von der Anstrengung, die die jeweilige Aufgabe erfordert (also beispielsweise das Hören in einer geräuschvollen oder geräuscharmen Umgebung), und von den Eigenschaften des Zuhörers selbst (z. B. ob er ein normales oder geschädigtes Hörvermögen besitzt).
Ein weiterer Faktor, den man in der Gleichung nicht außer Acht lassen sollte, ist die Motivation. Menschen haben die Neigung, ihre Ressourcen zu schonen und sie nur in Aufgaben zu investieren, von denen sie glauben, dass sie zielführend sind.
In früheren Studien, die ebenfalls mit der Pupillometrie gearbeitet haben, konnte man nachweisen, dass Menschen mit einer Hörminderung den Versuch, ein Gespräch zu verstehen, im Allgemeinen dann aufgeben, wenn der Signal-Rausch-Abstand (S/N) bei -1dB liegt. Dieser Wert galt auch dann, wenn sie Hörgeräte trugen.
Situationen wie eine Unterhaltung in einem Restaurant haben einen Signal-Rausch-Abstand, der bei -5dB oder noch darunter liegt. Bei einem solchen Geräuschpegel wird das Zuhören für viele Menschen mit einer Hörminderung zu anstrengend. Sie geben auf und verlieren die Lust, sich weiter darum zu bemühen, der Konversation zu folgen.
Normales Hörvermögen als Richtwert
Wenn wir den Nutzen eines Hörgeräts messen, ist der strengste Richtwert immer das normale Hörvermögen.
Eine neue Studie hat das Sprachverständnis und die Höranstrengung bei Menschen mit einem für ihr Alter normalen Hörvermögen untersucht und damit eine einzigartige Gelegenheit geschaffen, die Ergebnisse der Studie mit einer entsprechenden Studie zu vergleichen, in der Menschen mit Hörminderungen untersucht worden waren.
Ziel der Studie:
- Die Untersuchung des Hörvermögens bei Personen mit normalem Hörvermögen in einer schwierigen akustischen Umgebung/unter schwierigen Bedingungen
- Die Analyse des Punktes, an dem die Personen den Versuch aufgaben, der gesprochenen Sprache einen Sinn abgewinnen zu wollen
- Ein Vergleich mit einer ähnlichen Studie, in der Menschen mit einer Hörminderung und Hörgeräten untersucht wurden
Teilnehmer:
- 24 Erwachsene mit einem für ihr Alter normalen Hörvermögen
Bedingungen:
- Gespräche in Stimmengewirr und gleichmäßigem Geräuschpegel
- Das Spektrum des Sprachverständnisses reichte von 0 % – 100 %, wobei die Hörsituationen lebensnahe Umgebungen nachstellten – ein ruhiges Ambiente im eigenen Zuhause, laute Restaurants und noch lautere Bedingungen, in denen ein Sprachverständnis unmöglich ist.
Die Teilnehmer haben den dänischen Hearing-in-Noise-Test (HINT) absolviert, bei dem alltäglichen Sätze in einem Stimmengewirr und einem gleichmäßigen Geräuschpegel vorgespielt werden. Die Forscher haben dabei das Sprachverständnis und die Reaktion der Pupillen gemessen, sodass das Ergebnis sowohl die Worterkennung in Prozent als auch die Pupillenerweiterung umfasste.
Dabei fanden sie heraus, dass Menschen mit normalem Hörvermögen bei einem Worterkennungswert von ungefähr 60 % die größte Mühe aufwendeten (-4dB SRV) und bei ungefähr -8dB SRV aufgaben.
Diese Ergebnisse wurden mit einer Studie verglichen, die sich einer entsprechenden Methodik bedient hatte. Nur der Teilnehmerkreis war unterschiedlich angelegt: In diesem Fall waren Personen mit einer Hörminderung untersucht worden.
In der Vergleichsstudie trugen die Teilnehmer Hörgeräte mit einer fortschrittlichen Technologie, die alle Umgebungsgeräusche präzise analysieren, das Umfeld mehr als 100 Mal pro Sekunde abtasten und aktualisieren können und sogar in der Lage sind, Lärm zwischen einzelnen Wörtern zu reduzieren.
Ganz allgemein ließ sich dabei feststellen, dass der Punkt, an dem die Personen mit einer Hörminderung und Hörgeräten dieses fortschrittlichen Typs ihre Versuche aufgaben, exakt dem entsprach, an dem auch die Testpersonen mit normalem Hörvermögen aufgegeben hatten.
Eine Lücke zum normalen Hörvermögen schließen
Die Studien haben gezeigt, dass ein Hörgerät, das die Arbeit des Gehirns unterstützt, auch in schwieriger Umgebung eine aktive Kommunikation ermöglichen kann. Das gibt Menschen mit einer Hörminderung die Möglichkeit, an denselben gesellschaftlichen Situationen teilzuhaben, an denen auch ihre normal hörenden Mitmenschen teilhaben können.
Dies ist eine wichtige Schlussfolgerung und ein Punkt, den wir nutzen können, um Menschen mit einer Hörminderung dazu zu ermutigen, sich auch den schwierigen Hörsituationen zu stellen, an denen sie in der Vergangenheit gescheitert sein mögen. Beispiele hierfür wären gesellschaftliche Zusammenkünfte oder Besuche in geräuschintensiven Restaurants.
Indem sie auch in einem schwierigen Umfeld eine aktive Kommunikation ermöglichen, können Hörgeräte mit einer fortschrittlichen Technologie auch den Menschen, die unter einer Hörminderung leiden, die soziale Stimulation ermöglichen, derer sie bedürfen, um das Gehirn auch im Alter fit zu halten und dem Risiko eines kognitiven Verfalls entgegen zu wirken.
Literaturhinweise:
Juul Jensen 2018, Oticon Whitepaper
Nähere Informationen zu der Studie finden Sie im Whitepaper mit dem folgenden Titel: "Eine Lücke zum normalen Hörvermögen schließen"